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Der 6. Tag – „Brot und andere Lebens-Mittel“

Ganz geerdet und vom Himmel beseelt waren die Freunde Jesu gestern im Tempel. Die Gruppe, die sie dort antrafen war inzwischen so angewachsen, dass sie im Tempelvorhof auffiel. Einige der Frommen schauten sie schon etwas schräg an, so dass sich die Gruppe für den heutigen Tag auf der Dachterrasse verabredet hat.

Der Jüngerkreis hat sich schon früh am Nachmittag getroffen. Nun sitzen sie zusammen, um ganz in der Tradition Jesu zusammen zu essen, das Brot und den Wein zu teilen und die Worte dabei zu sprechen, die Jesus beim letzten Abendmahl sprach: „Nehmt und esst, dies ist mein Leib. Nehmt und trinkt, dies ist mein Blut.“

Wie sie so einmütig und ehrfürchtig beieinander sitzen und das Abendmahl halten, kommen schon die ersten Gäste. Sie bleiben stehen und betrachten diese Szene still. Als alles weggeräumt wird, prasseln sogleich die Fragen auf die Jünger ein: „Was habt ihr gemacht? Was waren das für Worte?“ – „Und welche Bedeutung haben sie?“ – „Ihr wart so still und voller Ehrfurcht. So kennen wir euch gar nicht. Was war los?“ – „Das sah aus, wie ein Ritual. Wofür ist es gut?“

„Stopp, stopp, eins nach dem Anderen. Ja, das ist ein Ritual. Ein ganz besonderes, denn Jesus selbst hat es so für uns eingesetzt. Lasst uns noch ein wenig warten, bis alle da sind. Dann werden wir euch erzählen, was es damit auf sich hat.“

Nach und nach trudeln auch die Nachzügler ein. Es wird voll auf der Dachterrasse. Männer und Frauen sitzen zusammen; nicht getrennt, wie sie es in ihrer Tradition gewohnt sind. Das sind ganz neue Erfahrungen, ein Gefühl von Freiheit. Und Gleichberechtigung – das kennen die Frauen gar nicht. Doch jetzt wird die Neugierde über das vorhin gesehene Ritual so groß, dass es unruhig wird.

„Was war das denn gerade mit dem Brot?“ fragt einer der Neuen. „Warum hat sich nicht jeder selber etwas genommen?“ – „Als Jesus das letzte Mal mit uns zu Abend gegessen hatte – das war an dem Abend, an dem er verhaftet wurde, der Sederabend zu Beginn des Pessachfestes – da nahm er das Brot, er dankte Gott dafür, hat es in Stücke gebrochen und an uns ausgeteilt. Dazu sagte er: ‚Nehmt und esst; das ist mein Leib, den ich für euch hingebe. Tut dies zu meinem Gedächtnis.‘ “ – „Was hat Jesus gesagt: Das Brot ist sein Leib? Das verstehe ich nicht.“ – „Warte ab, ich erzähle eben zu Ende. Dann wirst du besser verstehen.
Als wir das Stück Brot gegessen hatten, da nahm er den Weinkelch. Auch dafür dankte er und gab ihn in die Runde, damit wir alle daraus trinken. Dazu sagte er: ‚Nehmt und trinkt alle daraus. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut – zur Vergebung eurer Sünden.‘ “

„Brot und Wein, diese profane Nahrung, wird mit den Worten Jesu zu einem heiligen Zeichen des Heils Gottes für uns?“ – „Ganz genau. Die Worte, die Jesus gesagt hat, von denen er sagte, wir sollen sie immer wieder dazu sprechen, diese Worte verändern alles. Brot ist nicht mehr Brot. Wein ist nicht mehr Wein.“ – „Aber … es bleibt doch Brot. Das habe ich gerade gesehen. Ihr habt definitiv Brot gegessen. Da hat sich nichts verwandelt.“ – „Du hast natürlich Recht. Was wir essen, das ist immer noch Brot. Das ist Mehl, Körner und Wasser. Aber es ist auch etwas Anderes: Jesus ist da, er ist gegenwärtig.“ – „Wie soll das denn gehen?“ – „Jesus ist irgendwie da, im Brot, mit dem Brot … er ist da. Es ist mehr als Brot. Es ist Brot des Lebens.“ – „Ein echtes Lebens-Mittel also, nicht reine Nahrung.“ – „Ja, ein echtes Mittel zum Leben.“

„Und mit dem Wein ist das auch so?“ – „Natürlich. Wenn wir den Wein trinken, sollen wir daran denken, dass Jesus sein Blut vergoss – für uns.“ – „Wieso für uns?“ – „Weil er damit unsere Sünden weggenommen hat.“ – „Aber dafür haben wir doch den großen Versöhnungstag, den Jom Kippur! Warum brauchen wir jetzt noch Jesus zusätzlich?“ – „O ja, mit dem Jom Kippur hat unser Volk einen so phantastischen Feiertag. Jedes Jahr aufs Neue dürfen wir erleben, dass all das, was wir falsch gemacht haben, alle unsere Sünden, von uns genommen werden. Aber … das muss Jahr für Jahr wiederholt werden. Was Jesus getan hat, das gilt ein für alle Mal. Einmal – für alle Male, alle Jahre des Lebens und alle Menschen.“

Dürfen wir auch daran teilnehmen?“ fragt eine der neuen Freundinnen. „Natürlich dürft ihr das. Frauen genauso, wie Männer. Ihr genauso, wie wir. Wenn es geht, feiern wir jeden Tag das Abendmahl. Heute haben wir es schon gefeiert. Morgen seid ihr also auch dabei.“

Der Abend vergeht mit den vielen Fragen und Erkenntnissen viel zu schnell. Für den nächsten Tag verabreden sich alle schon etwas eher, um gemeinsam das Brot zu brechen und den Wein zu trinken. „Brot und Wein – Mittel zum Leben. Lebens-Mittel für jeden Menschen, der glaubt.“