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3. Tag – „In der Schwebe“

Abends, nach Sonnenuntergang, als der Schabbat zu Ende ist und der 1. Tag der Woche beginnt, sitzt die Jesusgruppe in der warmen Sommerluft auf der Dachterrasse des Hauses, das ihnen in Jerusalem Herberge ist.

Und doch fühlen sie sich noch unsicher. Jesus ist fort! Mit ihm haben sie sich immer richtig sicher fühlen können, niemand konnte ihnen etwas anhaben. Ihr Meister hatte alles im Griff, hatte auf jede Frage eine Antwort, konnte seinen Gegnern immer Paroli bieten. So haben auch sie im Laufe der drei Jahre ein gewisses Selbstbewusstsein in religiösen Fragen und Praxis erlangt.

Und dann – dann fühlen sie sich wieder allein, macht- und kraftlos. Die Basis fehlt. Der Schutz und Halt fehlt. Den Tröster hat Jesus ihnen versprochen. Wer wird das sein? Werden sie ihn erkennen? Werden sie auch mit ihm durch die Lande ziehen? – Sie fühlen sich völlig in der Schwebe.

So gehen sie zu Bett; denn der 1. Tag der Woche, der Sonntag, liegt vor ihnen. Sie haben sich mit der Gruppe junger Leute im Tempel verabredet.

Den frühen Morgen verbringen sie im Gebet; denn seit der Auferstehung nutzen die Anhänger Jesu den 1. Tag der Woche als Gedenktag der Überwindung des Todes durch Jesus, den Sohn Gottes. Es ist der Tag des Lebens, der Tag der Sonne, der Sonntag. Danach gehen einige ihrer Arbeit nach; denn sie müssen ja auch für ihren Lebensunterhalt sorgen. Die Frauen sorgen für ein aufgeräumtes Haus und das Essen.

Am späten Nachmittag finden sich alle wieder im Obergemach ein. „Wie geht es euch? Habt ihr heute auch so viele widersprüchliche Gedanken gehabt, wie ich?“ – „Oje, wenn du wüsstest! Die vergangenen Tage war ich noch so euphorisch, himmelhoch jauchzend. Und jetzt?“ – „Mir geht es auch so. Jetzt ist eine gewisse innere Leere da. Jesus weg, der Tröster noch nicht da.“ – „Ja, und außerdem diese Ungewissheit: Werden wir den Tröster erkennen?“ – „Was ist, wenn da irgendjemand zu uns kommt und uns vormachen will, er sei der Tröster?“ – „Hoffentlich fallen wir nicht auf einen Betrüger herein.“

Hier greift Petrus ins Gespräch ein, der immer schon ein wenig vorgeprescht ist, der eine ungeschriebene, und doch akzeptierte Führungsposition unter den Jüngern innehat. „Liebe Leute, jetzt bitte mal Ruhe. Je mehr wir in Zweifel verfallen, je stärker sich eine Leere in uns breitmachen kann, desto mehr müssen – nein: können und dürfen wir darauf vertrauen, dass Jesus in Gott immer noch bei uns ist.“ – „Das stimmt, Petrus! Danke, dass du uns aus diesen Gedankenkreisen herausholst. Sie bringen uns ja doch keinen Schritt weiter. Was war, das ist vorbei. Was schön war, behalten wir für immer in unseren Herzen. Was nicht so schön war, dürfen wir getrost loslassen.“ – „Danke, Maria, dass du genauso denkst und fühlst.“

Nun kommt der Freundeskreis Jesu wieder mehr zur Ruhe. „Wenn wir gleich zum Tempel gehen und uns mit den Menschen treffen, die dort auf uns warten, dann können wir doch nicht voller Zweifel sein. Bevor wir gehen, werden wir noch einmal gemeinsam um Gottes Kraft und Hilfe bitten.“ – „Ich möchte um dieses Vertrauen bitten. Lasst uns unser Vertrauen nicht wegwerfen; denn es wird eine große Belohnung haben.“ – „Habt dabei aber Geduld, Jesus wird seine Verheißungen erfüllen. Das ist sicher.“

So knien sie sich hin und beten voller Vertrauen. Und sie spüren, jeder für sich, dass sie Kraft bekommen. „Jetzt fühle ich mich nicht mehr so leer. Das ist gut, weil ich jetzt wieder all die schönen Erlebnisse mit Jesus erzählen kann.“ – „So geht es mir auch. Was kommt, das wissen wir zwar nicht. Aber wir haben es in der Hand, unsere Zukunft zu gestalten. Gehen wir positiv auf die Menschen zu, dann werden sie auch offen sein für das, was wir erzählen.“ – „Dieses Gefühl tut gut. Wir dürfen uns unserer Schöpferkraft immer bewusst sein und selber gestalten – nicht unser Leben von den Anderen gestalten lassen, sondern selber aktiv sein.“

„Doch immer noch fühle ich mich irgendwie in der Schwebe zwischen Nicht-mehr und Noch-nicht. Doch dieses Schwebegefühl ist leichter geworden.“ – „Das ist doch wunderbar“, ruft Petrus und lacht, „denn in dieser leichten Schwebe haben wir doch unseren Meister auch zuletzt gesehen. So war und ist und bleibt er unser Vorbild. Alles ist in der Schwebe – und wir gestalten.“

In dieser Leichtigkeit machen sie sich auf zum Tempel. Sie freuen sich schon darauf, alles, was sie mit Jesus erlebt haben, weiter erzählen zu dürfen.