Drei Kriege

 An den folgenden drei Tagen wirst Du hier Texte des katholischen Religionspädagogen Egbert Naujoks finden. Sie sind als „Frühschichten“ in der Fastenzeit in der Bochumer Gemeinde St. Joseph entstanden.

Es war ein Krieg, der in Böhmen und in der Pfalz zu schwelen begann und sich ausbreitete zu einem Flächenbrand über ganz Europa von Frankreich bis nach Dänemark, Schweden und Polen, und der sich ausdehnte über 30 Jahre, von 1618 bis 1648. Und noch etwas muss uns Christen auch heute mit Scham erfüllen: Es war ein Konfessionskrieg, d.h. ein Krieg zwischen Protestanten und Katholiken, wenn sich auch im Laufe des Krieges andere Motive dazugesellten. Da kämpften protestantische Fürsten und Generäle gegen katholische Kaiser und Feldherren. Sogar ein Kardinal namens Richelieu aus Frankreich, griff in die militärischen Auseinandersetzungen ein. Und das Volk, die Bauern, Handwerker, die Frauen und Kinder, hatten wie in allen Kriegen bis auf den heutigen Tag am meisten zu leiden unter plündernden und brandschatzenden Soldaten ausländischer Besatzungstruppen. Städte verloren bis zu drei Viertel ihrer Bevölkerung, manche Dörfer verschwanden ganz von der Landkarte.
Seuchen rafften viele hinweg, der Hunger – bedingt durch verwüstete Felder oder abgebrannte Scheunen – zwang die Menschen manchmal, Hunde und Katzen zu essen. Am Ende war Deutschland ein Trümmerfeld.

Die Christen, die – wie wir der Bitte Jesu im Evangelium entnehmen – „eins sein sollen“, hatten sich im Namen eben dieses Jesus und ihrer jeweiligen Kirche zerfleischt. Andreas Gryphius, der schlesische Pastorensohn, dessen Gedicht wir weiter oben gelesen haben, klagt über die sinnlose Zerstörung: „Und wo wir hin nur schaun, ist Feuer, Pest und Tod“. Und das Schlimmste ist laut Gryphius, „dass auch der Seelenschatz so vielen abgezwungen“, d. h. dass wohl damals viele Menschen verzweifelt sind, vielleicht sogar ihren Glauben an Gott verloren haben, bzw. ihn aufgrund von Bedrohung und Folter zumindest äußerlich verleugnen mussten, wollten sie ihr Leben retten.

Aber es gab im 30-jährigen Krieg auch das andere: Hoffnung, Vertrauen auf Gott gerade in der Not, und Glaubensfreude. Die Kirchenlieder, die während der Kriegszeit geschrieben wurden, zeugen von diesem mutigen „Dennoch“ des Glaubens. Deshalb erklingen heute noch öfter in unseren Gottesdiensten Lieder aus der Zeit des 30-jährigen Krieges, Lieder, die auch heute angesichts von schwelenden Konflikten und Kriegshandlungen von unseren „schweren Sorgen“ (Georg Neumark) künden, die aber auch in allem Leid auf Gottes versöhnendes, von Angst befreiendes Wirken vertrauen, so dass wir ohne „Angst, Furcht, Sorg und Schmerz“ (Paul Gerhardt) oder Resignation dem Frieden dienen können, nicht mehr im Jahre 1636, aber umso dringender im Jahre 2020.


Und die Kirche? Natürlich erkannte man den Ernst der Lage und die tödliche Bedrohung durch den Kampf auf den Schlachtfeldern, doch auch die Kirche konnte sich einer gewissen Begeisterung für den Krieg nicht entziehen: Ein Wiener Bischof z.B. ruft in einem unsäglichen Hirtenbrief zum Beginn des Krieges aus: „Und nun auf! Vorwärts in Gottes Namen!… Lasst uns mit vollem Vertrauen auf den Schutz des Himmels und auf den Beistand der hl. Jungfrau dem Feinde entgegengehen!… Wir siegen, oder dort auf dem Schlachtfeld soll unser Friedhof sein.“ In der Chronik zum 100-jährigen Jubiläum einer Gemeinde im Ruhrgebiet ist zu lesen, dass sich auch dort der vaterländische Geist breit machte: Während des Krieges fanden im Rahmen der monatlichen Versammlungen des Kirchbauvereins Vorträge statt. Ein Thema lautete z. B. 1917: „ Die Kultur unserer Feinde und deren Eroberungssucht“.


Wie sollten sich nun die Christen verhalten? Viele handelten nach dem Motto „Abwarten und Tee trinken“ und „Schweigen ist Gold“, was angesichts der tödlichen Bedrohung für Kritiker des Nazi-Regimes durchaus nachvollziehbar ist. Doch einige andere Christen fühlten sich innerlich aufgerufen, gegen die gottlose Regierung aufzustehen und Einspruch zu erheben: z. B. die Geschwister Scholl mit Flugblättern, Nikolaus Groß mit Zeitungsartikeln, Dietrich Bonhoeffer und Alfred Delp mit Plänen zum Sturz Hitlers, Franz Jägerstätter mit seinem kompromisslosen Nein zum Wehrdienst (seine Geschichte ist gerade verfilmt worden). Wie der barmherzige Samariter im Evangelium haben diese und viele andere Bekennerinnen und Bekenner mitgelitten mit ihren Brüdern und Schwestern auf den Schlachtfeldern, in Gefängnissen und Lagern oder einfach im zur Qual gewordenen Alltag des Weltkriegs. Und aus dem Mitleid erwuchs für sie die Tat, bis zum Märtyrertod.


Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!