Betreff: freundlich zu sich selbst
Danke für diesen Beitrag. Freundlich zu anderen sein ist schön und wichtig. Freundlich zu sich selbst sein ist oft ein Problem. Jeder hat da so seine Themen, bei denen man sich selbst be- und verurteilt. Es vergeht beinahe keine Minute, die man in Bezug auf sich selbst nicht beurteilt: ich war jetzt echt fleißig, faul, diszipliniert oder eben nicht, voller Ispiration oder voll verpeilt. Mir geht es auch so, dass ich meine Leistung, mein soziales Engagement und meinen Körper dauernd bewerte. Das ist so anstrengend! Ich wünschte, ich käme aus diesem Karussell. Mein schönster Moment des Tages ist beim Aufwachen: ich höre der Amsel zu und bin glücklich, die Amsel zu hören. Mehr nicht. Hoffentlich gibt es bald mehr solcher Momente: Einfach sein, wie eine Blume, so still, dass die anderen Blumen denken: “Sie ist eine von uns”. Das fände ich freundlich mir selbst gegenüber. Shalom. B. L.
Antwort:
Liebe B.,
der Glücksmoment am Morgen beim Aufwachen – wie dankbar das macht! Ja, ich stimme dir zu: Dieser Glücksmoment hält nur mehr oder weniger kurz an. Du hast in diesem Moment dieses Glück in der Hand … halte ihn (den Moment), halte es (das Glücksgefühl) jeden Tag ein wenig länger fest. Spüre Dankbarkeit dafür, dass du ihn erleben darfst. Er ist ein Geschenk. Wirf ihn nicht einfach weg, lass ihn nicht so einfach los! Halte ihn fest!
Sir Francis Bacon sagte: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“
Die Amsel, die Blume: sie machen dankbar und glücklich – aber auch nur den Menschen, der achtsam ist und Amsel und Blume überhaupt bemerkt.
– Du bemerkst Amsel und Blume. Du bist achtsam! –
Diese Achtsamkeit und Dankbarkeit führen zur Leichtigkeit – nicht immer, aber immer öfter, je mehr man übt.
In der Bibel finden wir die Worte: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Wir interpretieren diesen Ausspruch Jesu seit 2000 Jahren als Aufruf zur Nächstenliebe. Schön und gut.
Wie wäre es mit einem Umdenken: diesen Spruch einmal als Aufruf zur Selbstliebe zu verstehen?! Keine Ego-Liebe, sondern einfach Selbst-Liebe!
Denn Dein Ego fängt an zu bewerten: Deine eigene Leistung und die Leistung der Anderen; Dein eigenes soziales Engagement und das der Anderen; Deinen eigenen Körper und den der Anderen. Da gibt es Aufwertung – und vor allem viel Abwertung. In beide Richtungen.
Lass einfach los – lass Dein Ego los, das Dich so sehr auf Dich selbst fixiert und auf das, wovon Du meinst, dass es wichtig sei für Dich und vor allem für die Anderen.
Sei Dir stattdessen Deiner selbst bewusst: Was Du gut kannst – das schätzen die Anderen auch an Dir; wer Du bist – nämlich geliebtes und gewolltes Kind Gottes und Deiner Eltern; wie Du Anderen begegnest – sie danken es Dir oftmals ohne Worte. Übersieh das alles nicht!
Du bist geliebt und angenommen. Von Deiner Familie, Deinen FreundInnen, Deinen ArbeitskollegInnen, den Menschen, denen Du mit offenen Augen auf der Straße begegnest und sie anlächelst. Das tust Du! Das bist Du!
Danke Gott dafür, dass Du mehr bist, als eine Blume. Du musst nicht still sein, um dazu zu gehören, Du musst nicht an Deinem festen, Dir zugewiesenen Ort bleiben. Du musst es nicht: doch Du kannst und darfst, wenn Du willst.
Sei jeden Tag dankbar. Mache Dir jeden Abend vor dem Schlafengehen deutlich, was an diesem Tag schön war. So wird Dein Herz von Liebe erfüllt, und erfüllt kannst Du in den neuen Tag gehen. Aus dieser Fülle heraus kannst Du leben und wirken, und für Dich und die Menschen da sein.
Gott segne und behüte Dich!