9.12.2022

 

Unser ehemaliger Gesundheitsminister Jens Spahn hat einen Satz geprägt, wie er nicht oberflächlicher sein kann: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“ Dazu schreibt er am 12.10.2022 selber auf seiner Homepage:

Kürzlich erschien mein Buch „Wir werden einander viel verzeihen müssen“. Es trägt den Titel eines Satzes, den ich bereits früh in der Corona-Krise während einer Rede im Bundestag sagte. Ein Gedanke, der in dieser Krise an zunehmender Bedeutung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gewinnen sollte.

Bei meiner Amtsübergabe im Dezember 2021 habe ich betont: Die Zeit als Gesundheitsminister während der Corona-Jahre 2020 und 2021 war die bisher größte Aufgabe meines Lebens. Es waren Ausnahmejahre für uns alle. Sie haben die Gesellschaft verändert, aber auch Lehren für den Umgang mit zukünftigen Krisen mit sich gebracht. In meinem Buch ist es mir deshalb wichtig, noch einmal kritisch auf die vergangenen zwei Jahre zurückzuschauen: Wie funktioniert Politik in einer neuartigen Krise? Welche Fehler wurden gemacht, auch von mir? Hierauf versuche ich rückblickend Antworten zu geben.

Zugleich möchte ich darin aber auch den Blick nach vorne richten. Denn die Lehren aus der Corona-Krise sind vielfältig und für den Umgang mit gegenwärtigen sowie zukünftigen Krisen essenziell. Nur wenn wir aus den Erfahrungen die richtigen Schlüsse und Entscheidungen ziehen, haben wir die Chance in zukünftigen Krisen besser zu werden.

Was mich darüber hinaus durch meine persönlichen Erfahrungen aus den letzten Jahren besonders umtreibt, ist die Frage des Umgangs miteinander – und wie wir innerhalb der Gesellschaft diskutieren. Bei aller Solidarität, die wir in der Pandemie sahen, konnten wir erleben, wie Spannungen und Spaltungen in der Gesellschaft zunahmen. Die Pandemie wurde zu einem Test für die Debattenkultur, im Kleinen ebenso wie im Großen. Dass Debatten auch kontrovers geführt werden, ist wichtig in einer Demokratie. Aber wir sollten dabei empathisch bleiben, nicht verhärten, nicht „unerbittlich“ werden. Darum ging es mir, als ich den Satz gesagt habe: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“ Deshalb trägt auch mein Buch diesen Titel.

Zu dem Thema „verzeihen“ habe ich kürzlich ein youtube-Video von Raphael Bonelli, dem bekannten österreichischen Psychologen, gehört, der gegen jedwede Oberflächlichkeit anmerkt, dass es zu einem echten Um-Verzeihung-Bitten gehört, dass derjenige Reue zeigt. Ein einfaches „Entschuldigung“ reicht nicht, schon gar kein „Tschullijung!“. Und was heute von fast allen Menschen vergessen wird ist, dass man sich selber gar nicht ent-schuldigen/ent-schulden kann. Sondern man kann nur den Anderen um Entschuldigung bitten. Eine Ent-Schuldigung funktioniert nur von der Gegenseite her.

Raphael Bonelli betont dabei, dass es wichtig ist, dem Anderen dabei in die Augen zu sehen; denn nur so wird dem Bittenden klar, dass eine Ent-Schuldigung eine sehr persönliche Angelegenheit ist, die zwischen zwei Menschen funktionieren sollte.

„Wir werden einander viel verzeihen müssen“ ist eine absolut oberflächliche Aussage. Das ist so etwas wie „Schwamm drüber. Schnell von der Fehlerseite weg nach vorne schauen. Wie – du machst da nicht mit? Ach, dann bist du ja der Schuldige.“

Nein, so geht es nicht. Sondern persönliches Bekennen (Luther) und Reue (Bonelli) gehören als Voraussetzung zu einem echten Verzeihen dazu. Anders ist ein Verzeihen nicht zu bekommen.

Eine gesegnete Adventszeit wünschen Dir

Deine Querdenker-Christen!