16. Dezember 2020

Quelle des Lebens

Es wird immer dunkler in unseren Breiten. Die Sonne neigt sich ihrem tiefsten Stand im Jahr zu. Noch fünf Tage, dann ist Wintersonnenwende. Es wird immer dunkler in unseren Breiten.

Gehe ich durch die Straßen und Städte, wirken sie wie ausgestorben. Einzelne Lichterketten und –sterne leuchten zwar, doch sie scheinen die Einsamkeit nur noch zu verstärken. „Markt und Straßen sind verlassen, …“.

Soziale Distanz macht das Leben zusätzlich dunkler. Immer öfter hört und liest man von Menschen, die diese einsame Dunkelheit nicht mehr aushalten und Suizid begehen. Welch Tragik!

Vom Leben abgeschnitten scheinen wir, die Quelle des Lebens offenbar versiegt. Ab heute: Harter Lockdown, alles geschlossen, keine Kontakte, selbst Gottesdienste fallen ab heute aus bis … mal schauen.

Wo ist das Licht? Wo ist das Leben? Meine Seele dürstet nach all dem, was menschliches Leben ausmacht: Gemeinschaft, zusammen essen, reden, lachen, singen (all das, was die Gemeinschaft Jesu mit den Menschen ausmachte!), Konzerte und Theater besuchen, in den Urlaub fahren …

Doch gerade jetzt gilt es, das Herz zu öffnen. Es WIRD ein Ende haben, was uns bedrückt, belastet und bedroht. Hör auf Dein Herz, das Dir etwas Anderes sagt, als Dein Verstand. Deine Gefühle sind richtig, wenn sie sich nach Leben und Gemeinschaft, Freiheit und Freude sehnen. Dein Verstand und Dein Herz können in Einklang kommen und dadurch einen neuen Weg gehen: Den Weg der Erkenntnis, dass es eine größere Macht gibt, als Menschen sie haben, die vergänglich sind.

Dieser größten Macht will ich vertrauen. Sie hilft mir, weiter zu sehen, als nur bis zum nächsten Lockdown oder der nächsten Verordnung. Sie hilft mir, das zu erkennen, was verborgen ist und doch präsent: Die Quelle des Lebens. So muss niemand verzweifeln, auch wenn Distanz und Schließungen verlassene Märkte und Straßen verursachen; doch das ist nicht das Ende, so wie die Verse Joseph von Eichendorffs es uns auch sagen:

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh’ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in’s freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!

Ich vertraue auf Gottes immerwährende Fürsorge für uns. So weiß mein Verstand, dass die Quelle des Lebens für uns jederzeit zugänglich ist, und mein Herz erkennt, dass in seinem Licht auch wir wieder Licht sehen werden. Er schenkt uns eine gnadenreiche Zeit!

O komm, o komm, du Morgenstern,

lass uns dich schauen, unsern Herrn.

Vertreib das Dunkel unsrer Nacht

durch deines klaren Lichtes Pracht.

Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.

Freut euch und singt Halleluja!

(EG 19, 1)