12. Dezember 2021

„Naive Leichtgläubigkeit“

Y. Lapide schreibt dazu:

„Es gibt einen dramatischen Unterschied zwischen gottvertrauender Glaubenskraft und naiver, unreifer Leichtgläubigkeit. Gottvertrauende Glaubenskraft entspringt einer tiefen, gereiften Beziehung zum Schöpfer, der in der eigenen Seele eine ungeahnte verlässliche Gewissheit freisetzt. Naive Leichtgläubigkeit hingegen entspringt undurchdachten Wunschvorstellungen und nicht ausreichend reflektierten impulsiven inneren Bildern von Realität. … Der allzu leichtgläubige Vater stellt nicht die geringsten Zweifel an der Echtheit des von seinen Söhnen präsentierten Beweismittels. Wie konnte … er sich dermaßen leichtfertig … hineintäuschen lassen? …

Das spannendste Buch auf Erden konfrontiert uns schonungslos mit grundlegenden menschlichen Schwächen und Stärken, so wie sie sich in der Realität seit alters her präsentierten und immer wieder aufs Neue präsentieren. Durch seine übertriebene Ausrichtung … verliert Jakob den objektiven Blick für das Gesamtgeschehen … Er ist blind geworden für jede objektive Einschätzung der eingetretenen Fakten. …

Der bewährte Glaube an den mich führenden Gott darf zu keinem Augenblick bagatellisiert oder banalisiert werden. Er bedarf der kontinuierlichen Kultivierung, um in jeder erdenklichen Lebenssituation den im Glauben gefestigten Menschen zu aufmerksamem und kritischem Urteil und Handeln zu veranlassen. Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen (Psalm 23, Vers 1). Er ist mein Hirte – ich bin es nicht und ich muss es nicht sein.“

Gott sei Dank für diese Worte Yuval Lapides. In unserer momentanen Situation, in der die Kirchen sich über jede von Gott durch Jesus vermittelte Annahme der Schwachen und Ausgegrenzten hinwegsetzen, ist Lapides Auslegung der Jakob-Joseph-Geschichte ein wertvolles Korrektiv.

Ach, dass der Herr aus Zion käm und unsre Bande von uns nähm!

Ach, dass die Hilfe bräch herein, so würde Jakob fröhlich sein!

Du bist mein Haupt, hinwiederum bin ich dein Glied und Eigentum

und will, soviel dein Geist mir gibt, stets dienen dir, wie dirs beliebt.

(EG 542, 4+10)