10. Dezember 2020

Erzengel Michael, der Kämpfer

Die Adventszeit ist ja nicht nur die Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Geburt Jesu und damit der – allerdings in diesem Jahr etwas gebremsten – hektischen Betriebsamkeit vor Weihnachten, sondern auch eine Erinnerung an unseren  Wartestand: Wir warten ja als Christen auf das endgültige Kommen der Gottesherrschaft in Gerechtigkeit und Liebe. Zu diesem endgültigen Aufscheinen des Reiches Gottes gehört in der Sprache der Bibel – ob wir es wollen oder nicht – auch das Gericht, d.h. die Bilanz der Menschheitsgeschichte, aber auch meiner eigenen Bemühungen und meines Versagens.

An diesen kosmischen und persönlichen Entscheidungen um Gut und Böse ist der Bibel nach der Erzengel Michael maßgeblich beteiligt: Er und seine himmlischen Begleiter sind es, die in der Bildsprache der Apokalyptik am Ende den Drachen, d.h. das Böse und Gottlose vernichten und in die Tiefe stürzen (Offb. 12, 7-9). Michael, der fast immer mit einem Schwert in der Hand dargestellt wird, ist der Engel des Kampfes gegen das Un-Heilige und Niederträchtige. Er ermutigt uns, uns jeden Tag neu von sinnlosem Tun und (selbst-)zerstörerischem Handeln in unserem Leben  abzuwenden und für eine humanere Welt einzutreten, in der der Mensch menschlich sein kann.

Der Name „Michael“ bildet im Deutschen einen herausfordernden Fragesatz: „Wer ist wie Gott?“ Das ist das Programm des Engels: Mensch, bleib bei dem, was dein Schöpfer dir zugemessen hat (Goethe spricht von der „Grenzen der Menschheit“); glaub ja nicht, du könntest alles erreichen und überschreite nicht die Grenze, hinter der du selbst über Leben und Tod, über ungeborenes oder gealtertes Leben entscheiden willst; sorge vielmehr für den Erhalt des Lebens (was ja die Forschung mit dem baldigen Impfstoff eindrucksvoll realisiert); kehre um zum Guten, wie ja auch Johannes der Täufer uns im Advent zuruft.

Auf mittelalterlichen Bildern, die das Jüngste Gericht zeigen, wird der Erzengel Michael häufig zusätzlich mit einer Waage abgebildet (wie übrigens auch der ägyptische Totengott Anubis!). Am Ende wird eben klar, ob wir unser Leben in die Waagschale geworfen oder uns ängstlich zurückgehalten haben. Der Ausdruck „etwas wagen“ kommt wirklich von der Waage her.

Und das wäre doch ein guter Effekt dieser Adventszeit: Mit der Hilfe des starken Erzengels Michael den Aufbruch wagen zu einem trotz oder gerade wegen Corona sinnerfüllten Leben im Licht des menschgewordenen Gottes.      

©Egbert Naujoks